Landesamt für Denkmalpflege Bremen
Ev.-Luth. Zionkirche, Bremerhaven-Weddewarden, Wurster Straße 404
Die Zionkirche in Weddewarden entstand 1875-1878 als Ersatz für die „Ochsenkirche“
genannte, gleichzeitig aufgegebene mittelalterliche Kirche der Kirchengemeinde in Imsum,
von der auf dem alten Kirchhof nur der sogenannte Ochsenturm erhalten blieb. Sie gehört zu
den ältesten Beispielen der Neugotik an der Unterweser. Der Neubau der Kirche ist Ausdruck
eines durch die Gründung Bremerhavens 1827 im Wandel begriffenen Kulturraums.
Der Konsistorial-Bauinspektor August Schwägermann aus Stade hatte 1875 in einem
Baugutachten die Notwendigkeit einer völligen Erneuerung der baufällig gewordenen Kirche
festgestellt und die Errichtung einer neuen Kirche im Zentrum der Kirchengemeinde zwischen den Ortschaften Dingen und Weddewarden vorgeschlagen. Die Gemeinde
entschied sich für den Neubau; die alte Kirche sollte als „romantische" Ruine ohne Dach
fortbestehen. Das Kirchenschiff wurde jedoch kurze Zeit später als Steinbruch für ein
Leuchtturmprojekt (Eversandleuchtturm) verkauft, das letztlich nicht zustande kam. Der
Turm der alten Kirche blieb nur deshalb erhalten, weil er schon seit dem Mittelalter als
Landmarke für die Weserschifffahrt diente. 1877 wurde er vom Tonnen- und Bakenamt zu
Bremen für 4500 RM erworben, aber dann 1896 funktionslos, als die neue Betonnung und
Befeuerung der Weser durchgeführt war, und anschließend der Kirchengemeinde Imsum
zurückgegeben.
Der Bauplatz für die Kirche und des gleichzeitig neu errichteten Pfarrhauses (nicht erhalten)
lagen fortan auf Weddewarder Grund und Boden und gehörten ehemals zur Sibbernschen
Hausmannsstelle. Der Gutachter des Konsistoriums, August Schwägermann, fertigte einen
ersten Entwurf, weil aber „der Thurm zu stumpf und nicht geschmackvoll erschien" zog der
Kirchenvorstand den Bremerhavener Architekten Carl Pogge hinzu, der den Entwurf für den
Turm erheblich veränderte. Pogge erhielt auch die Bauleitung zugesprochen. Im Frühjahr
begann man mit den Fundamentierungsarbeiten (Pfahlgründung) und am 5. Mai 1877 wurde
der Grundstein gelegt.
August Schwägermann (1818-1906) war seit 1873 als Kreis-Bauinspektor in Stade tätig (ab
1881 Baurat, 1889 Ruhestand) und hat in dieser Zeit eine Reihe von schlichten, einschiffigen
Backsteinkirchen für die evangelisch-lutherische Landeskirche im Stil der Neugotik entworfen. Für die Kirche St. Martin in Hittbergen entstand ein Langhaus an
mittelalterlichen Wehrturm (1872-1875), und auch die Heilig-Kreuz-Kirche in Bevern (1877-1878) und die Kirche St. Bartholomäus in Neuenkirchen (1879-1880) sind verglichen mit der
Zionkirche nur Variationen einer Gestaltungsidee: Zu dieser gehört ein durch Strebepfeiler
gegliedertes Langhaus, dazwischen große, von Maßwerk unterteilte Spitzbogenfenster, ein einfaches Satteldach und ein niedrigerer, dreiseitiger Chorabschluss. Die Kirchtürme sind
dabei keineswegs völlig einheitlich entworfen. Es fällt jedoch auf, dass Schwägermann eine
hohe, geschlossene Turmkubatur bevorzugte, wohingegen Carl Pogge für die Zionkirche eine
mehr offene, sich zum Himmel verjüngende Form wählte. Das Vorbild für Pogge war vermutlich der 1870, also erst wenige Jahre zuvor fertiggestellte Kirchturm der ebenfalls
evangelisch-lutherischen Bürgermeister-Smidt-Gedächtniskirche nach Entwurf von Simon
Loschen, insbesondere das Motiv des an allen vier Seiten von Dreiecksgiebeln eingefassten
offenen Glockengeschosses.
Das Kircheninnere überrascht mit einem teilweise offenen Hängesprengwerk der Decke und
des Dachstuhls, durch dessen Ausformung sich in angenehmer Proportion eine angedeutete
Dreiteilung des Raumes mit der Konzentration auf den Spitzbogen des Chorbogens ergibt.
Die Wandflächen sind nahezu ungegliedert. Lediglich um die Fenster des Langhauses ist im
Putz ein Rahmen gebildet und flache, spitzbogige Blendnischen begleiten den Chorbogen. Die
einfache Neugotik des Gestühls und der Kanzel fügen sich stimmig in das Gesamtbild ein.
Umso effektvoller kommt die Ausstattung der Kirche zur Geltung, deren Auswahl und
Beauftragung sich der Kirchenvorstand vorbehalten hatte. Dafür kamen aus der Gemeinde
großzügige Schenkungen, die sich bis heute vor Ort erhalten haben, insbesondere:
- das Altargemälde, „Jesus im Garten Gethsemane zu seinen schlafenden Jüngern tretend"
ein Ölgemälde des bedeutenden Dresdner Kunstmalers Adolf Wichmann (1820-1866), der
zum damaligen Zeitpunkt bereits verstorben war. Tete Brinkama zu Brinkamahof hatte das
Gemälde von Wichmanns Witwe erworben;
- die drei Chorfenster mit biblischen Gruppen und die zehn Seitenfenster aus Kathedral-Glas; sie stammen aus den Werkstätten für Glasmalerei Dr. Oidtmann u. Co. in Linnich bei Aachen,
einer bekannten Werkstatt, die bis heute fortbesteht (1857 von Heinrich Oidtmann gegründet gilt sie als das älteste heute noch tätige Unternehmen für Glasmalerei inDeutschland)
-Darstellungen der vier Evangelisten auf den Spiegelflächen der neuen Kanzel; es
handelt sich um Frühwerke des damals noch jungen Kunstmalers Hermann Schaper (1853 -
1911), der erst 1876 das Geschäft seines Vaters in Hannover übernommen hatte und später
als Kirchenmaler einigen Ruhm erlangte (u.a. Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche Berlin,
Aachener Dom, Ordensburg Marienburg, Bremer Dom)
Außerdem wurden aus der alten Kirche 13 barocke Holzschnitzbilder wiederverwendet. Sie
stellen Szenen aus der Geschichte des Alten und Neuen Testaments dar. Sechs davon
befanden sich in der alten Kirche an dem Gestühl des Pastors neben dem Altar, vier weitere
an der Kanzeltreppe. Nach dem Abbruch der alten Ochsenkirche waren die Holzschnitzbilder
auf der Rückseite des Altars im Chor der neuen Kirche und an der Treppe zur Orgelempore
befestigt worden. Bei einer großen Kirchenrenovierung des Jahres 1928 sind sie dann an den
jetzigen Plätzen angebracht worden und haben vom Kirchenmaler Bücker aus Hannover
unter Anleitung des Provinzialkonservators Professor Siebern (Hannover) eine neue
Farbfassung erhalten. Bei sämtlichen 13 Holzschnitzereien ist das Figürliche manieriert, im
sogenannten Ohrmuschelstil, ausgeführt: Sie datieren um 1670 und werden dem Schnitzer Jürgen Heitmann d. J. ( etwa 1605-1671), gebürtig in Otterndorf (Eibe) aus der Wilster
Marsch (Holstein) zugeschrieben. Die von ihm in Dorum 1670 ausgeführten Arbeiten für den
Altar in Dorum sind dort mit Name, Geburtsort und Meisterzeichen versehen (vgl. Thieme
Becker 1935)
Ebenfalls aus der alten Kirche übernommen ist ein wohl über 600 Jahre altes Taufbecken,
das vor dem Umzug noch einen zugehörigen bunt bemalten hölzernen Deckel hatte. Pastor
Gerhard Burgstaller beschreibt die Geschichte und das Aussehen der Taufe ausführlich in
seiner in den 1950er Jahren geschriebenen Kirchenchronik. Die Bronzetaufe besteht aus
einem 47 Zentimeter hohen runden Kessel, der oben 78 Zentimeter und unten 58
Zentimeter Durchmesser hat, und ist also so groß, dass die Täuflinge früher darin
untergetaucht werden konnten. Das Becken, mit zwei Köpfen als Deckelhaltern, wird
getragen von sechs auf einen Fußring gestellten Stützfiguren, von denen drei aus dem
gleichen Gussmodell gefertigt worden sind. Am oberen und unteren Rand sind in
Spiegelschrift umlaufende Inschriftbänder eingearbeitet:
Qui fuerint lavacro commissuri tibi toti Virgo tuo sacro sint pie loti (O Jungfrau, mögen die in
deinem Heiligtum fromm Gebadeten bewahrt werden, welche sich dir ganz durch das Bad
anvertrauen wollten)und unten:
Anno Domini MCCLXXXIIII in profesto annunciatione beata Mariae Virginis fusum
baptistireum istud (Im Jahre des Herrn 1284 am Feste der Verkündigung der heiligen
Jungfrau Maria ist dies Taufbecken gegossen)
Am Kessel befinden sich zwischen den beiden Inschriften verschiedene Reliefdarstellungen
zur Heilsgeschichte und vermutlich mit Hilfe von Wachsschnüren hergestellte
Umrisszeichnungen von Figuren zwischen stilisierten Bäumen
Das alte Taufbecken ist wohl die größte Kostbarkeit der Kirche, ein Stück von seltener
Schönheit. Die Datierung auf das Jahr 1284 ist inschriftlich belegt, eine in der Literatur
geäußerte Vermutung, das Taufbecken sei ein Werk der bedeutenden Gieβerfamilie Klinghe
[Kirche für unsere Stadt 1977] ist jedoch nicht haltbar, da deren erstes nachgewiesenes
Werk die Glocke ,,Maria gloriosa“ im Bremer Dom aus dem Jahre 1433 ist. Gleichwohl
fertigte die Werkstatt des Erzgießers Gherd Klinghe (etwa 1400 bis 1474), die er mit seinen
vier Söhnen betrieb, die bis heute überlieferte Glocke aus der alten Ochsenkirche mit einem
Gewicht von 1700 Kilogramm und einem Durchmesser von 122 Zentimeter. Sie wird als
Werk einem der Söhne, Hermann Klinghe [vgl. Focke 1909, 28] zugeschrieben, und datiert
aus dem Jahr 1455 (inschriftlich an der Krone). Sie war zusammen mit einer größeren Glocke
aus dem Jahr 1781, die jedoch im Zweiten Weltkrieg eingeschmolzen worden ist, in den
Kirchenneubau überführt worden.
Die Zionkirche in Bremerhaven-Weddewarden ist samt ihrer Ausstattung aus
wissenschaftlichen (geschichtlichen und kunstgeschichtlichen) Gründen (Ausstattungen
mehrerer überregional bedeutender Künstler, deren Werk Gegenstand wissenschaftlicher
Betrachtung ist, frühes Beispiel der Neugotik an der Unterweser), aus heimatgeschichtlichen
Gründen (Zäsur in der Geschichte der Kirchengemeinde lmsum/Weddewarden; wichtiger
Bestandteil des dörflichen Ensembles) und künstlerischen Gründen (harmonisch
proportionierter und bei der Zusammenfügung von alten und neuen Ausstattungsstücken
überaus gelungener Innenraum mit wertvoller künstlerischer Ausstattung) ein
Kulturdenkmal gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 Abs. 2 Brem. Denkmalschutzgesetz (DSchG). Das Kulturdenkmal ist auf dem beigefügten Plan markiert. Die Gründe für die Unterschutzstellung erreichen ein Gewicht, welches die Erhaltung der Zionkirche im öffentlichen Interesse gelegen sein lässt.
Quellen und Literatur
Lier, Hermann Arthur, Wichmann, Adolf", in: Allgemeine Deutsche Biographie (1897), S
312-313.
Focke, Johannes, Die Glockengießer Klinge aus Bremen, in: Jahrbuch der bremischen
Sammlungen 11 (1909), S. 10-33
Wiebalck, R.[obert]: Jürgen Heitmann der Ältere und der Jüngere, zwei Bildschnitzer aus
Wilster, in: Nordelbingen 1 (1923)
Schmidt, Harry: ,, Heitmann (Heidtmann), Jürgen, d. J.", in: Thieme-Becker. Allgemeines
Lexikon der Bildenden Künstler, Bd. 16, Leipzig 1935.
Kreplin, B.C.: ,Klinge (Klinghe)", in: Thieme-Becker. Allgemeines Lexikon der Bildenden
Künstler, Bd. 20, Leipzig 1935, S. 508-509
o.V.: Schaper, Hermann", in: Thieme-Becker. Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler
Bd. 29, Leipzig 1935, S. 580.
Johnsen, Wilhelm: Meister Jürgen Heitmann der Ältere in Wilster, ein Bildschnitzer des
siebzehnten Jahrhunderts. Mit einem Anhange von Ernst Schlee: Jürgen Heitmann der
Jüngere, Wilster 1938
Burgstaller, Gerhard: Chronik der Ev.-Luth. Zion Kirchengemeinde imsum/Weddewarden, oJ
(um 1955) (Internet: http://zionkirche-weddewarden.jimdo.com/die-zionkirche/die chronik
von-pastor-burgstaller/: zuletzt aufgerufen am 6. 11.2014).
Kirche für unsere Stadt. 40 Jahre Ev.-Luth. Gesamtverband Bremerhaven, Bremerhaven
1977, S. 73.
gez. Uwe Schwartz M.A
Bremen, 6. November 2014
Landesamt für Denkmalpflege Bremen
Ev.-Luth. Zionkirche, Bremerhaven-Weddewarden, Wurster Straße 404
Die Zionkirche in Weddewarden entstand 1875-1878 als Ersatz für die „Ochsenkirche“
genannte, gleichzeitig aufgegebene mittelalterliche Kirche der Kirchengemeinde in Imsum,
von der auf dem alten Kirchhof nur der sogenannte Ochsenturm erhalten blieb. Sie gehört zu
den ältesten Beispielen der Neugotik an der Unterweser. Der Neubau der Kirche ist Ausdruck
eines durch die Gründung Bremerhavens 1827 im Wandel begriffenen Kulturraums.
Der Konsistorial-Bauinspektor August Schwägermann aus Stade hatte 1875 in einem
Baugutachten die Notwendigkeit einer völligen Erneuerung der baufällig gewordenen Kirche
festgestellt und die Errichtung einer neuen Kirche im Zentrum der Kirchengemeinde zwischen den Ortschaften Dingen und Weddewarden vorgeschlagen. Die Gemeinde
entschied sich für den Neubau; die alte Kirche sollte als „romantische" Ruine ohne Dach
fortbestehen. Das Kirchenschiff wurde jedoch kurze Zeit später als Steinbruch für ein
Leuchtturmprojekt (Eversandleuchtturm) verkauft, das letztlich nicht zustande kam. Der
Turm der alten Kirche blieb nur deshalb erhalten, weil er schon seit dem Mittelalter als
Landmarke für die Weserschifffahrt diente. 1877 wurde er vom Tonnen- und Bakenamt zu
Bremen für 4500 RM erworben, aber dann 1896 funktionslos, als die neue Betonnung und
Befeuerung der Weser durchgeführt war, und anschließend der Kirchengemeinde Imsum
zurückgegeben.
Der Bauplatz für die Kirche und des gleichzeitig neu errichteten Pfarrhauses (nicht erhalten)
lagen fortan auf Weddewarder Grund und Boden und gehörten ehemals zur Sibbernschen
Hausmannsstelle. Der Gutachter des Konsistoriums, August Schwägermann, fertigte einen
ersten Entwurf, weil aber „der Thurm zu stumpf und nicht geschmackvoll erschien" zog der
Kirchenvorstand den Bremerhavener Architekten Carl Pogge hinzu, der den Entwurf für den
Turm erheblich veränderte. Pogge erhielt auch die Bauleitung zugesprochen. Im Frühjahr
begann man mit den Fundamentierungsarbeiten (Pfahlgründung) und am 5. Mai 1877 wurde
der Grundstein gelegt.
August Schwägermann (1818-1906) war seit 1873 als Kreis-Bauinspektor in Stade tätig (ab
1881 Baurat, 1889 Ruhestand) und hat in dieser Zeit eine Reihe von schlichten, einschiffigen
Backsteinkirchen für die evangelisch-lutherische Landeskirche im Stil der Neugotik entworfen. Für die Kirche St. Martin in Hittbergen entstand ein Langhaus an
mittelalterlichen Wehrturm (1872-1875), und auch die Heilig-Kreuz-Kirche in Bevern (1877-1878) und die Kirche St. Bartholomäus in Neuenkirchen (1879-1880) sind verglichen mit der
Zionkirche nur Variationen einer Gestaltungsidee: Zu dieser gehört ein durch Strebepfeiler
gegliedertes Langhaus, dazwischen große, von Maßwerk unterteilte Spitzbogenfenster, ein einfaches Satteldach und ein niedrigerer, dreiseitiger Chorabschluss. Die Kirchtürme sind
dabei keineswegs völlig einheitlich entworfen. Es fällt jedoch auf, dass Schwägermann eine
hohe, geschlossene Turmkubatur bevorzugte, wohingegen Carl Pogge für die Zionkirche eine
mehr offene, sich zum Himmel verjüngende Form wählte. Das Vorbild für Pogge war vermutlich der 1870, also erst wenige Jahre zuvor fertiggestellte Kirchturm der ebenfalls
evangelisch-lutherischen Bürgermeister-Smidt-Gedächtniskirche nach Entwurf von Simon
Loschen, insbesondere das Motiv des an allen vier Seiten von Dreiecksgiebeln eingefassten
offenen Glockengeschosses.
Das Kircheninnere überrascht mit einem teilweise offenen Hängesprengwerk der Decke und
des Dachstuhls, durch dessen Ausformung sich in angenehmer Proportion eine angedeutete
Dreiteilung des Raumes mit der Konzentration auf den Spitzbogen des Chorbogens ergibt.
Die Wandflächen sind nahezu ungegliedert. Lediglich um die Fenster des Langhauses ist im
Putz ein Rahmen gebildet und flache, spitzbogige Blendnischen begleiten den Chorbogen. Die
einfache Neugotik des Gestühls und der Kanzel fügen sich stimmig in das Gesamtbild ein.
Umso effektvoller kommt die Ausstattung der Kirche zur Geltung, deren Auswahl und
Beauftragung sich der Kirchenvorstand vorbehalten hatte. Dafür kamen aus der Gemeinde
großzügige Schenkungen, die sich bis heute vor Ort erhalten haben, insbesondere:
- das Altargemälde, „Jesus im Garten Gethsemane zu seinen schlafenden Jüngern tretend"
ein Ölgemälde des bedeutenden Dresdner Kunstmalers Adolf Wichmann (1820-1866), der
zum damaligen Zeitpunkt bereits verstorben war. Tete Brinkama zu Brinkamahof hatte das
Gemälde von Wichmanns Witwe erworben;
- die drei Chorfenster mit biblischen Gruppen und die zehn Seitenfenster aus Kathedral-Glas; sie stammen aus den Werkstätten für Glasmalerei Dr. Oidtmann u. Co. in Linnich bei Aachen,
einer bekannten Werkstatt, die bis heute fortbesteht (1857 von Heinrich Oidtmann gegründet gilt sie als das älteste heute noch tätige Unternehmen für Glasmalerei inDeutschland)
-Darstellungen der vier Evangelisten auf den Spiegelflächen der neuen Kanzel; es
handelt sich um Frühwerke des damals noch jungen Kunstmalers Hermann Schaper (1853 -
1911), der erst 1876 das Geschäft seines Vaters in Hannover übernommen hatte und später
als Kirchenmaler einigen Ruhm erlangte (u.a. Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche Berlin,
Aachener Dom, Ordensburg Marienburg, Bremer Dom)
Außerdem wurden aus der alten Kirche 13 barocke Holzschnitzbilder wiederverwendet. Sie
stellen Szenen aus der Geschichte des Alten und Neuen Testaments dar. Sechs davon
befanden sich in der alten Kirche an dem Gestühl des Pastors neben dem Altar, vier weitere
an der Kanzeltreppe. Nach dem Abbruch der alten Ochsenkirche waren die Holzschnitzbilder
auf der Rückseite des Altars im Chor der neuen Kirche und an der Treppe zur Orgelempore
befestigt worden. Bei einer großen Kirchenrenovierung des Jahres 1928 sind sie dann an den
jetzigen Plätzen angebracht worden und haben vom Kirchenmaler Bücker aus Hannover
unter Anleitung des Provinzialkonservators Professor Siebern (Hannover) eine neue
Farbfassung erhalten. Bei sämtlichen 13 Holzschnitzereien ist das Figürliche manieriert, im
sogenannten Ohrmuschelstil, ausgeführt: Sie datieren um 1670 und werden dem Schnitzer Jürgen Heitmann d. J. ( etwa 1605-1671), gebürtig in Otterndorf (Eibe) aus der Wilster
Marsch (Holstein) zugeschrieben. Die von ihm in Dorum 1670 ausgeführten Arbeiten für den
Altar in Dorum sind dort mit Name, Geburtsort und Meisterzeichen versehen (vgl. Thieme
Becker 1935)
Ebenfalls aus der alten Kirche übernommen ist ein wohl über 600 Jahre altes Taufbecken,
das vor dem Umzug noch einen zugehörigen bunt bemalten hölzernen Deckel hatte. Pastor
Gerhard Burgstaller beschreibt die Geschichte und das Aussehen der Taufe ausführlich in
seiner in den 1950er Jahren geschriebenen Kirchenchronik. Die Bronzetaufe besteht aus
einem 47 Zentimeter hohen runden Kessel, der oben 78 Zentimeter und unten 58
Zentimeter Durchmesser hat, und ist also so groß, dass die Täuflinge früher darin
untergetaucht werden konnten. Das Becken, mit zwei Köpfen als Deckelhaltern, wird
getragen von sechs auf einen Fußring gestellten Stützfiguren, von denen drei aus dem
gleichen Gussmodell gefertigt worden sind. Am oberen und unteren Rand sind in
Spiegelschrift umlaufende Inschriftbänder eingearbeitet:
Qui fuerint lavacro commissuri tibi toti Virgo tuo sacro sint pie loti (O Jungfrau, mögen die in
deinem Heiligtum fromm Gebadeten bewahrt werden, welche sich dir ganz durch das Bad
anvertrauen wollten)und unten:
Anno Domini MCCLXXXIIII in profesto annunciatione beata Mariae Virginis fusum
baptistireum istud (Im Jahre des Herrn 1284 am Feste der Verkündigung der heiligen
Jungfrau Maria ist dies Taufbecken gegossen)
Am Kessel befinden sich zwischen den beiden Inschriften verschiedene Reliefdarstellungen
zur Heilsgeschichte und vermutlich mit Hilfe von Wachsschnüren hergestellte
Umrisszeichnungen von Figuren zwischen stilisierten Bäumen
Das alte Taufbecken ist wohl die größte Kostbarkeit der Kirche, ein Stück von seltener
Schönheit. Die Datierung auf das Jahr 1284 ist inschriftlich belegt, eine in der Literatur
geäußerte Vermutung, das Taufbecken sei ein Werk der bedeutenden Gieβerfamilie Klinghe
[Kirche für unsere Stadt 1977] ist jedoch nicht haltbar, da deren erstes nachgewiesenes
Werk die Glocke ,,Maria gloriosa“ im Bremer Dom aus dem Jahre 1433 ist. Gleichwohl
fertigte die Werkstatt des Erzgießers Gherd Klinghe (etwa 1400 bis 1474), die er mit seinen
vier Söhnen betrieb, die bis heute überlieferte Glocke aus der alten Ochsenkirche mit einem
Gewicht von 1700 Kilogramm und einem Durchmesser von 122 Zentimeter. Sie wird als
Werk einem der Söhne, Hermann Klinghe [vgl. Focke 1909, 28] zugeschrieben, und datiert
aus dem Jahr 1455 (inschriftlich an der Krone). Sie war zusammen mit einer größeren Glocke
aus dem Jahr 1781, die jedoch im Zweiten Weltkrieg eingeschmolzen worden ist, in den
Kirchenneubau überführt worden.
Die Zionkirche in Bremerhaven-Weddewarden ist samt ihrer Ausstattung aus
wissenschaftlichen (geschichtlichen und kunstgeschichtlichen) Gründen (Ausstattungen
mehrerer überregional bedeutender Künstler, deren Werk Gegenstand wissenschaftlicher
Betrachtung ist, frühes Beispiel der Neugotik an der Unterweser), aus heimatgeschichtlichen
Gründen (Zäsur in der Geschichte der Kirchengemeinde lmsum/Weddewarden; wichtiger
Bestandteil des dörflichen Ensembles) und künstlerischen Gründen (harmonisch
proportionierter und bei der Zusammenfügung von alten und neuen Ausstattungsstücken
überaus gelungener Innenraum mit wertvoller künstlerischer Ausstattung) ein
Kulturdenkmal gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 Abs. 2 Brem. Denkmalschutzgesetz (DSchG). Das Kulturdenkmal ist auf dem beigefügten Plan markiert. Die Gründe für die Unterschutzstellung erreichen ein Gewicht, welches die Erhaltung der Zionkirche im öffentlichen Interesse gelegen sein lässt.
Quellen und Literatur
Lier, Hermann Arthur, Wichmann, Adolf", in: Allgemeine Deutsche Biographie (1897), S
312-313.
Focke, Johannes, Die Glockengießer Klinge aus Bremen, in: Jahrbuch der bremischen
Sammlungen 11 (1909), S. 10-33
Wiebalck, R.[obert]: Jürgen Heitmann der Ältere und der Jüngere, zwei Bildschnitzer aus
Wilster, in: Nordelbingen 1 (1923)
Schmidt, Harry: ,, Heitmann (Heidtmann), Jürgen, d. J.", in: Thieme-Becker. Allgemeines
Lexikon der Bildenden Künstler, Bd. 16, Leipzig 1935.
Kreplin, B.C.: ,Klinge (Klinghe)", in: Thieme-Becker. Allgemeines Lexikon der Bildenden
Künstler, Bd. 20, Leipzig 1935, S. 508-509
o.V.: Schaper, Hermann", in: Thieme-Becker. Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler
Bd. 29, Leipzig 1935, S. 580.
Johnsen, Wilhelm: Meister Jürgen Heitmann der Ältere in Wilster, ein Bildschnitzer des
siebzehnten Jahrhunderts. Mit einem Anhange von Ernst Schlee: Jürgen Heitmann der
Jüngere, Wilster 1938
Burgstaller, Gerhard: Chronik der Ev.-Luth. Zion Kirchengemeinde imsum/Weddewarden, oJ
(um 1955) (Internet: http://zionkirche-weddewarden.jimdo.com/die-zionkirche/die chronik
von-pastor-burgstaller/: zuletzt aufgerufen am 6. 11.2014).
Kirche für unsere Stadt. 40 Jahre Ev.-Luth. Gesamtverband Bremerhaven, Bremerhaven
1977, S. 73.
gez. Uwe Schwartz M.A
Bremen, 6. November 2014